Dienstag, 19. März 2013


 

Eine Idee unseres Vereins "Bürger für Rahnsdorf" wurde von uns in Rahnsdorf-Mühle realisiert:

Am 5. April 2013 fand die Einweihung der Gedenktafel "Rahnsdorfer Mühlen" an der Brücke vor dem Netto-Einkaufsmarkt Fürstenwalder Alle / Straße nach Fichtenau  statt.       





Einweihung der Mühlengedenktafel
 

von Werner Zimmermann                                    

Ich begrüße Sie als alter Rahnsdorfer Ortschronist zur Einweihung der  Mühlengedenktafel.
Die Geschichte der Mühle beginnt mit dem Dorfkrüger Johan Krehan. Er war Pächter des Dorfkruges. Als ehemaliger Offizier im Dreißigjährigen Krieg hatte er viel Geld gespart. In der  weiten Umgebung, zum Beispiel in Köpenick, waren durch den Krieg viele Häuser zerstört. Zum Wiederaufbau der Häuser wurde auch viel Bauhoz benötigt. So beantragte er beim Kurfürsten hier am Fließ eine Sägemühle zu errichten. Das Amt Mühlenhof in Berlin erteilte ihm dafür 1654 die Konzession. Er hatte nun ein zweites Gewerbe, das zu damaliger Zeit eine Ausnahme war.
Die Sägemühle wurde auf der südlichen Seite des Fließes errichtet. Heute befindet sich dort der Parkplatz von Netto. Die Baumstämme   transportierte man durch Flößen zur Sägemühle. Die Bretter und Balken wurden  in die Umgebung geliefert  und verkauft.

Die Mühle lag sehr günstig an der 1712 eröffneten Poststraße von Berlin nach Erkner/ Fürstenwalde. Ab 1722 gehörte Rahnsdorf und das Bauerndorf Münchehofe zum Gut Dahlwitz/Hoppegarten.
Der Gutsbesitzer baute eine Scheune am Mühlenweg auf, um dort das Heu zwischenzulagern. Die Scheune stand auf dem Gelände der heutigen Mansardse. Der Heuweg ging an der Mühle vorbei nach Dahlwitz.
Um 1730 wurde an der Postssraße, der heutigen Fürstenwalder Allee, der Mühlenkrug erbaut. Das Gebäude war ein langes strohgedecktes Haus. Als erster Krüger ist ein Christian Entrich genannt worden. An dieser Stelle befindet sich heute das Cafè Gersch.
Durch die günstige Verkehrslage wurde um 1735 eine Mahlmühle auf der rechten Seite von Johann-Heinrich Erdmann am Fließ errichtet. In der gleichen Zeit wurde neben dieser Mühle ein Tagelöhner- und Speicherhaus gebaut.
Der Müller kaufte das Korn zum Mahlen aus der näheren Umgegung von den Bauern auf.
Der Landjäger Friedrich Wilhelm Bock war seit 1744 durch Erbverschreibung Besitzer des Vorwerkes Hessenwinkel. Er war in Hessenwinkel nicht ansässig. Als sich der König Friedrich Wilhelm der II. am 15.08.1774 auf einer Reise nach Schlesien befand, war unter der Begleitung des Königs ab Köpenick auch der für dieses Gebiet zuständige Landjäger Bock. Plötzlich stürzte der Landjäger Bock zwischen der Rahnsdorfer Mühle und Erkner in Folge eines Schlaganfalles vom Pferd. Nach mündlichen Erzählungen brachte man ihn noch zur Mühle, wo er dann verstarb. Er war erst 58 Jahre alt.  Am 17.08.1774 wurde er in Köpenick beigesetzt.
Von der Müllerfamilie Martin begann Christian Martin um 1818 die Sägemühle zu sanieren. Sein Sohn betrieb von 1828 bis 1860 beide Mühlen. Durch die Separation von 1840 erhielt der Müller das bisher dazugehörige genutzte Land als freies Eigentum. Ab 1860 führte der Müllermeister Theodor Franz Albert Martin beide Mühlen weiter. Wöchentlich montags und donnerstags holten sich die Fischer und Bürger aus der Umgebung mit Hundewagen, Karren oder Kiepen das Mehl. Die in der Sägemühle hergestellten Balken und Bretter sind vorwiegend nach Köpenick und Berlin verkauft worden.

Mit dem letzten Mühlenkrüger Johann Gottlieb Haase  wurde 1854/55 der Mühlenkrug geschlossen und diente nun armen Familien als Unterkunft. 1892 erfolgte der Abriss des Mühlenkruges. 
Um 1880 wurde die Poststraße als Chaussee ausgebaut. 1882 errichtete die Gemeinde Rahnsdorf zwischen dem ehemaligen Mühlenkrug und Sägemühle ein Chauseehaus, um Gelder zur Erhaltung der Chaussee einzunehmen. Der Chausseemeister Schröder öffnete den Schlagbaum nur bei Bezahlung einer Nutzungsgebühr (Maut) . 1910 wurde der Schlagbaum entfernt. Am 28./29. April 1989 ist das Chausseehaus abgerissen worden
Durch die große Konkurrenz der mit Maschinenkraft betriebenen Mühlen, musste 1892 der Betrieb der beiden Mühlen in Rahnsdorf eingestellt werden.
Der Müllermeister Martin verkaufte 1891/92 Land, welches in Mühlennähe lag, vorwiegend das Gebiet an der heutigen Seestraße und dem Woltersdorfer Weg. Ab 1893 bis 1900 entstanden auf diesem Land die ersten 26 Wohnhäuser.
Um die neu entstehenden Wohngebiete zu unterscheiden benannte man dieses Wohngebiet als Rahnsdorf Mühle, da zur gleichen Zeit Neu Rahnsdorf, heute Wilhelmhagen, entstand.

Der Müllermeister Martin hatte immer einen großen Hut auf. Wenn Kinder ihm gefällig waren, warf er Kleingeld hoch, und zu seiner Freude suchten die Kinder danach. Am Mühlenteich stand ein Backofen. Die Müllerin trug das Brot zum abbacken dorthin. Bevor das Brot in den Ofen kam, wurden die Brote mit dem sauberen Wasser vom Mühlenteich eingestrichen, damit die Oberfläche der Brote geschmeidig blieb.

Das erste große Restaurant, den Paradiesgarten, baute Herr Martin 1896 auf seinem Grundstück am Mühlenteich auf. Zur Erinnerung an seine Mühle stellte er an dem Eingang zum Restaurant einen Mühlenstein auf. In der Mitte des Steines befand sich die Speisekarte. Bis 1898 war er Gastwirt. Im gleichen Jahr verkaufte er das gesamte Anwesen mit Teich.
Zur Erinnerung: Der Dorfkrüger baute 1654 eine Sägemühle auf und der letzte Müller war ein Gastwirt der seine Gaststätte verkaufte.   Nach 244 Jahren!

Durch einen Brand wurde 1910 die Sägemühle vernichtet. Die Mahlmühle stürtzte durch Hochwasser-Unterspülung im Jahre 1925 ein und ist abgerissen worden.
Auf der Seite vom Fließ, wo die alte Sägemühle stand, wurde um 1925 ein  neues Holzsägewerk mit Maschinenantrieb errichtet.
Um 1930 baute vermutlich der Sägewerkbesitzer vorne an der Fürstenwalder Allee, heute rechts neben der Einfahrt zum Parkplatz, ein Familienhaus auf. Hinter dem Haus befand sich ein überdachter Lagerplatz für das Holz.

Der letzte Besitzer des Paradiesgartens, Herr Sorge, verkaufte 1939 das Grundstück mit Teich an die evangelische Mission der Stadt Berlin. Schon 1941 beschlagnahmten die Nazis das ehemalige Restaurantgebäude zur Unterbringung von französischen Zwangsarbeiterinnen. Sie mussten in den Betrieben AEG und TRO in Oberschöneweide Zwangsarbeit leisten.

Das Sägewerk ist um1940 abgerissen worden. Das an der Straße stehende Wohnhaus wurde 1944 durch Bombentreffer stark beschädigt.

Die evangelische Mission erhielt im Dezember 1945 von der russischen Kommandantur ihr Haus zurück.

Im Sommer 1945 setzte die Baufirma H. Blaeske das bombengeschädigte Wohnhaus instand und eröffnete hier ein Büro sowie Bauplatz. Nach 1947/48 wurde das Haus nur für Wohnzwecke genutzt.
Der Eigentümer, die evangelische Mission, legte 1947/48 den Mühlenteich trocken.
Der Verlauf des Fließes zum Müggelsee ist 1961/62 verändert und begradigt worden. Auch die Straßenbrücke musste erneuert und verbreitert werden.
Die noch auf dem Grundstück stehenden Schuppen nutzten in den nachfolgenden Jahren mehrere Transportfirmen bis 1997/98.  Danach erfolgte der Abriss aller Gebäude auf dem ehemaligen Mühlengrundstück.

Am 23.03.1999 eröffnete auf dem ehemaligen Mühlengrundstück der Lebensmittelmarkt „Plus“ mit Autoparkplatz. Jetzt befindet sich hier eine Netto-Filiale.
Die alten Dorfbewohner sagten noch vor Jahren, wir gehen zur Mühle einkaufen, obwohl keine Mühle mehr vorhanden war.
Sie bezeichneten damit das um 1895 entstandene neue Wohngebiet.



Zusammengestellt:  Werner Zimmermann (Zeitzeuge)                                    Zeitzeugen:  Hans Schramm,
                                                                                                            Alice Zimmermann
Quelle:
Groß Berliner Kalender 1923  von Adelheid Sachs
Rahnsdorfer Mühle“ ab  Seite 113       

Berlin, 05.04.2013